Falsches Essverhalten entsteht häufig schon im Säuglingsalter. Sobald das Baby zu weinen beginnt, hält die Mutter diesen Ausdruck der Verlassenheit für Hunger. Es kann jedoch sein, dass der Säugling nur einfach „Hunger“ nach Zärtlichkeit und Nähe hat. Wenn man nun dem Baby jedes Mal, wenn es weint, etwas zu essen gibt, um es zu beruhigen, bleibt dieser Reflex im Erwachsenenalter erhalten. Sobald ein Bedürfnis nach Zärtlichkeit oder Liebe besteht, erfolgt als Reaktion eine Nahrungsaufnahme.

Dieser orale Reflex – erste „sexuelle Handlung“ und Gefühlsäußerung des Säuglings – wirkt sich später nicht nur auf sein Essverhalten, sondern auch auf seine zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Es kann also sein, dass man im Erwachsenenalter weiterhin fehlende Liebe mit Essen kompensiert, denn Nahrung ist immer griffbereit.

Eine Stömng im Essverhalten äußert sich also zunächst dadurch, dass man bei jeder sich bietenden Gelegenheit etwas knabbert, ohne hungrig zu sein. Rauchen hat im Übrigen häufig die gleiche Ersatzfunktion.

Im weiteren Verlauf verspürt der Betroffene zwischen den Mahlzeiten ein plötzliches, starkes Verlangen nach Essen, woraufhin er eine große Menge an Nahrungsmitteln verzehrt, ohne dass ein Hungergefühl vorhanden ist. Dabei empfindet er neben dem anfänglichen Genuss auch ein großes Schuldgefühl.

Wenn es zudem zuckerhaltige Nahrungsmittel sind, kann eine regelrechte Abhängigkeit entstehen, da sie mit den Süßigkeiten, die man in der Kindheit als Belohnung erhalten hat, gleichgesetzt werden. In diesem Fall wird die Nahrung auch als Genuss betrachtet, weshalb es nach dem Verzehr zu einer Ausschüttung von Endorphinen kommen kann. Dieses „körpereigene Morphin“ lässt ein Wohlgefühl entstehen.

Schlimmstenfalls kann sich daraus ein unwiderstehliches Verlangen nach Nahrung entwickeln, was als Bulimie bezeichnet wird. Diese Essstörung äußert sich dadurch, dass eine beträchtliche Menge an Nahrungsmitteln gierig verschlungen wird. Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, schrecken die Betroffenen nicht einmal davor zurück, sich zum Erbrechen zu bringen.

Bei einigen Frauen kann es zu Depressionen kommen, wenn ihnen ihr anormales Essverhalten bewusst wird. Um Depressionen und Schuldgefühlen entgegenzuwirken, kann es zu Anorexie, d.h. Magersucht kommen: Die Betroffenen haben jegliches Hungergefühl verloren und legen ein äußerst gestörtes Verhältnis zur Nahrung an den Tag. Obwohl zu Beginn keine psychische Störung vorlag, kann die Gewichtsabnahme zu einer fixen Idee werden.

Die jungen Frauen, die hauptsächlich an dieser Störung leiden (sie sind im Allgemeinen nicht älter als fünfundzwanzig Jahre), wiegen teilweise weniger als vierzig Kilo, weshalb häufig ein Krankenhausaufenthalt und eventuell auch eine Intensivbehandlung notwendig wird, um ihren Tod zu verhindern. Leider ist die Mortalitätsrate (10 °/o) immer noch viel zu hoch.

Selbst wenn bestimmte Essstörungen auf ein falsches Verhalten im frühen Kindesalter zurückzuführen sind, werden sie auch häufig durch eine Einschränkung der Nahrungszufuhr im Erwachsenenalter verursacht. Durch kalorienreduzierte Diäten, die normalerweise zur Behandlung von Fettleibigkeit empfohlen werden, kommt es ebenfalls zu psychischen Störungen, die zu Bulimie oder Anorexie führen.

Eine regelrechte Esssucht und ein anormales Essverhalten sind normalerweise die Folgen der dabei erlittenen Frustrationen. Der Betroffene wird reizbar und launisch und sogar aggressiv, wenn sein Verlangen nach Nahrung übermächtig wird. Da er nicht mehr in der Lage ist, seine Esssucht zu unterdrücken, empfindet er immer weniger Achtung vor sich selbst, was zu Depressionen fuhren kann.